Viel habe ich schon geschrieben zu Situationen mit Schüler/innen, zu meiner Haltung gegenüber jungen Menschen, zu Themen wie Gewalt in der Schule, Schulpflicht und Co.
In diesem Beitrag wird es jedoch um etwas anderes gehen: nämlich um meinen Unterricht selbst. Hier erfahrt ihr, was ich im Unterricht genau mache, womit ich gerne arbeite und wie ich formuliere.


„Spiel ist nicht Spielerei, es hat hohen Ernst und tiefe Bedeutung“
Fangen wir am Anfang an: Wie steige ich ein, wenn ich neue Schüler/innen oder eine neue Gruppe zum ersten Mal sehe?
Natürlich mit der ersten und schönsten Form des Lernens: dem Spielen! Bei mir haben sich in den letzten Jahren einige spielerische „Ice-Breaker“ etabliert, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Eine kleine Sammlung mit Erklärungen findet ihr hier zum freien Download:
Icebreaker   (Sammlung)
– dazu das Fragenraster_Englisch (zum Würfeln, am besten mit zwei Würfeln)
– und das Fragenraster_Deutsch (dies hatte ich ursprünglich für Erwachsene erstellt, die Fragen können natürlich ausgetauscht bzw auf junge Menschen angepasst werden).
Viele dieser Ideen habe ich in Seminaren oder von Kollegen/innen aufgeschnappt und übernommen – ihr dürft sie gerne weiter verwenden.

Bei all diesen Spielen geht es um alles und um nichts: es geht darum, sich von Mensch zu Mensch kennenzulernen – ohne, dass es einen Gewinner oder Verlierer gäbe. Ich spiele diese Spiele einzig und allein deswegen, weil sie Spaß machen, die Stimmung auflockern und das Eis brechen, sie haben weder kompetitiven Charakter noch sollen sie irgendeinen fachlichen Lerninhalt vermitteln.

Darüber hinaus nutze ich auch manchmal „fertige“ Spiele, viele davon aus dem englischen Sprachraum (einfach, weil sie gut sind, und nicht mit dem Ziel, Englisch zu lernen), wie z.B.:
– die „Brain-Box“ (für verschiedene Themen verfügbar, z.B. Länder der Erde, gibt’s auch auf deutsch)
– „Story-Cubes“ (Würfel zum Geschichten-Erzählen)
– „Now goes me a light up“ (lustiges Kartenspiel zu englischen und deutschen Redewendungen)- „Tabu“ (in deutsch oder englisch)
– das Hunde-Quartett von TopTrumps

Selbst alberne Spiele wie „Halli Galli“ haben es schon in meinen Unterricht geschafft!
Warum? Schon Platon wusste: „Beim Spiel kann man einen Menschen besser kennenlernen, als im Gespräch in einem Jahr.“ Und so ist es: Beim Spielen kommt man ins Gespräch, man flucht und man lacht. Und: Spielen schafft Vertrauen (einen “sicheren Raum“), weil man sich gegenseitig auf harmlose Art und Weise persönlich kennen und einschätzen lernt. Auch aus diesem Grund spiele ich immer mit.

Ein weiterer Klassiker für den Einstieg: eine „Stimmt’s oder nicht?“-Umfrage innnerhalb Gruppe, wie z.B. diese hier: Was glaubt ihr_Stimmts oder stimmts nicht. (erst schätzt jeder für sich und macht ein Kreuzchen, dann kommt die Auflösung im gemeinsamen Gespräch).

Mein Material (Englisch und Deutsch)
Eigentlich sollen wir Lehrer/innen ja vorgeben, was im Unterricht behandelt wird. Dieses Muster stelle ich manchmal auf den Kopf. Hier einige Beispiele dafür:

Für den Englisch-Unterricht mit einem Schüler (8.Klasse), der Computerspiele liebt, brachte ich einmal einen Artikel mit zum Thema „The benefits of gaming“ („Vom Nutzen des Zockens“). Denn der Junge hatte mir erzählt, dass er seine Leidenschaft immer wieder rechtfertigen müsse gegenüber älteren Menschen. Der dreiseitige Sachtext wurde förmlich „aufgesogen“, wir besprachen ihn im Anschluss (auf Englisch) und schrieben uns die wichtigsten Fakten bzw. Argumente noch einmal heraus. Den Text hatte ich im Internet gefunden (QUELLE).

In meinen Kleingruppen ist es nicht ganz so leicht, auf einzelne Interessen einzugehen, außerdem stehen hier meist zentral vorgegebene Prüfungen an. Am Anfang frage ich meistens die Schüler*innen, was sie interessiert und mache dazu einen „Themenspeicher“. Außerdem sage ich, was ich gern in den kommenden Monaten thematisch machen möchte und warum. Daraus ergibt sich dann meist ein guter Mix.

An Lehrwerken mag ich solche, die Themen aus dem „echten“ Leben aufgreifen. Um hierfür ein Beispiel zu geben: Für Englisch nutze ich häufig das „Listening Extra; A resource book of multi-level skills activities“, hier geht es mal um das Leben der Wissenschaftlerin Jane Gooddall, mal um „Feng Shui“, mal um „Freetime activities of Teens in Tokyo“. Über all diese Themen kann man nach dem Listening wunderbar ins Gespräch kommen, Texte verschiedener Formate schreiben usw.

Auch bediene ich mich gern auf der Seite www.onestopenglish.com, hier gibt’s z.B. eine tolle Stunde zum Thema „Personal Preferences“ (einfach oben in die Suchleiste eingeben). Zu den Beiträgen finden sich auch manchmal gute Video-Beiträge, in denen echte Menschen aus Großbritannien interviewt werden. Der Zugang zu allen Materialien kostet ca. 60 € im Jahr (ist nur eine persönliche Empfehlung, keine bezahlte Werbung).
Auch die Seite breakingnewsenglisch.com ist super, hier gibt es täglich neue „News lessons“ , mit bunten Nachrichten aus aller Welt, unterteilt nach „easier“ und „harder“.

Manchmal finde ich auch Material zufällig „auf der Straße“: Letztens fand ich einen Werbeprospekt für Taschen und Rucksäcke auf einem Tisch in unserem Kopierraum – er sah ansprechend aus, und so nahm ich ihn mit für den Unterricht mit einer Schülerin, mit der ich Deutsch als Zweitsprache mache. Ich bereitete ein paar Worthilfen vor, und dann führten meine Schülerin und ich auf Deutsch ein Verkaufsgespräch – ich sagte ihr, was ich suche, und sie blätterte durch den Prospekt, um zu schauen, welcher Rucksack am besten für mich passte. Lehrmaterial muss nicht immer gleich als solches erkennbar sein ;-).

Als die Hamburger Elbphilharmonie eingeweiht wurde, bat ich meine Schüler*innen über die offiziellen Webseite zehn spannende „Facts“ über die Elbphilharmonie herauszufinden. Wir staunten nicht schlecht – Vieles wusste ich selbst noch nicht, und wir lernten voneinander allerhand Neues. Ich bereitete dazu auch noch eine Mediation-Aufgabe vor (Mediation Elphi). Außerdem bestellte ich in dieser Zeit ganz reale Tickets für ein Schulkonzert der Gruppe „Meute“, zu dem wir dann gemeinsam in die Elphi gingen – ein tolles Erlebnis!

Auch Songs (mit Lücken) sind ein Klassiker in meinen Stunden, entweder gehen sie auf Schülervorschläge zurück oder auf eigene Ideen (holiday_Madonna, Wiz Khalifa See You Again).

To put it in a nutshell: Ich nehme sehr gerne Material aus dem alltäglichen Leben, statt durch-didaktisiertes Material aus Lehrbüchern, dass ja doch meist nur auf Simulation beruht („Stell dir vor, du fährst mit der Londoner U-Bahn“) und das für einen ganz bestimmten Lern-Zweck konzipiert wurde. Extra zum Lernen gemachtes Material ist häufig langweilig – warum, dazu habe ich HIER schon einmal geschrieben.

— weiter geht es auf der nächsten Seite —


Das Foto dieses Beitrags stammt übrigens von Element5 Digital on Unsplash (das bin nicht ich — könnte es aber sein ;-)!]

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