Gemeinsames Tun macht glücklich
Na klar! Ich erinnere mich, wie ich früher völlig aufgehen konnte im Spiel mit meiner besten Freundin – wenn wir zum Beispiel gemeinsam einen Stall für unsere Kaninchen bauten oder einen Tanz einübten. Und wie sehr ich mir gewünscht habe, meine Mutter möge sich Zeit nehmen, um mit mir gemeinsam zu basteln – gemeinsam hätte es mir noch mehr Spaß gemacht.

Die Autoren Hüther und Hauser nennen als weitere Beispiele für gemeinsames Tun Dinge wie Singen, Märchenlesen, Spielen, Tanzen, Musizieren und Malen. Aber lässt sich dieses gute Gefühl von „wir tun etwas gemeinsam“ auch auf den Unterricht übertragen?

Auch wenn die Situation in der Schule eine andere ist, als daheim in der Familie oder im freien Spiel mit Freunden, so keimt in mir doch die Hoffnung, dass es durch dieses gemeinsame Tun ein bisschen leichter für alle von der Hand gehen könnte.

Ich selbst finde es jedenfalls weitaus spannender, Dinge mit meinen Schülerinnen und Schülern zusammen zu tun, als vorher alleine zu Hause „vorzuarbeiten“ und die exakten Lösungen zu bestimmten Aufgaben dann im Unterricht parat zu haben.

Natürlich habe ich durch mein Alter und mein Studium einen Wissensvorsprung, der beim gemeinsamen Bearbeiten von Aufgaben auch zutage tritt. Natürlich klingen meine Texte anders als die eines 13jährigen Schülers. Aber ich glaube, darum geht es nicht. Sondern darum, dass ich mich darauf einlasse, Dinge, die meine Schüler tun müssen, mit ihnen gemeinsam zu tun. Dass wir gemeinsam eine Probeklausur durchackern. Dass wir alle ein Gedicht schreiben, mich inbegriffen, und nicht nur die Schüler alleine.

Allerdings muss auch ich mich hier manchmal bremsen – gerade im Einzelunterricht wollen mir die Schüler ja auch manchmal zeigen, was sie (alleine) können. Und dann frage ich: Soll ich mitmachen oder möchtest du alleine? Wenn dann die Antwort lautet „Ich probier’s mal alleine“, lehne ich mich natürlich zurück und mische mich nicht ein.

Alte Vorstellungen vom Lernen – der Lehrer weiß alles
Welch alt eingeprägte Vorstellungen wir vom Lernen haben und welch Gewissensbisse uns überkommen, wenn wir davon abweichen, ist schon krass: Eine Kollegin gestand mir vor Kurzem, dass sie manchmal, wenn sie die Antwort auf eine Frage nicht wisse, sie mit ihren Schülern gemeinsam im Internet stöbere. Ich musste lachen ob ihres schlechten Gewissens, denn ich hätte es super gefunden, wenn sich eine Lehrerin mit mir hingesetzt hätte, um mit mir gemeinsam etwas im Internet zu recherchieren.

Wir Haus- und Krankenlehrer unterrichten viel fachfremd bzw. unterstützend zum Unterricht an den Schulen, so dass es oft passiert, dass wir selber nicht so tief in ein Thema eingearbeitet sind. Da geht es manchmal gar nicht anders, als dass wir uns gemeinsam, parallel mit unseren Schülern, ein Thema neu erarbeiten müssen. Und ich mag genau diese Form des Unterrichtens – die wohl streng genommen gar kein Unterricht ist.

Ein Plädoyer für weniger Planung
Ich möchte schlussendlich also ein kleines Plädoyer an meine Kollegen und Kolleginnen formulieren: Ich wette, die meisten, die diesen Blogeintrag lesen, sind wahre Arbeitsameisen, die sich tip top auf ihren Unterricht vorbereiten. Ihr habt euch Wochenenden und Nächte um die Ohren geschlagen, um euch in Themen einzulesen, Erwartungshorizonte zu erstellen und möglichst spannende Unterrichtseinstiege zu finden. Ihr habt euch Expertenwissen angeeignet in Gebieten, die während eurer Studienzeit noch nicht mal existierten, geschweige denn abiturrelevant waren. Ihr habt euch wasserdichte Unterrichtsreihen ausgedacht, Übungsklausuren konzipiert, ja sogar passende Notenskalen angelengt, damit die Schüler wissen, was sie am Ende erwartet.

Was für ein Stress. Für alle Beteiligten.

Ich sage: Vernachlässigt die zeitraubenden Planungen und mühsamen Vorbereitungen. Polt euch um und entdeckt Freude daran, nicht alles zu wissen und mit den Schülern gemeinsam zu lernen.
Macht euch weniger Arbeit alleine im stillen Kämmerlein, macht mehr mit euren Schülerinnen und Schülern gemeinsam. Steht zu eurem Unwissen. „Ich habe keine Ahnung, worum es geht – ihr? Kommt, wir schauen uns mal die erste Seite von diesem langweilig aussehenden Roman an.“ Und dann geht’s los. Dann können echte Gespräche entstehen. Dann kann etwas wachsen.

Seid spontan: Lernt mehr mit den jungen Menschen, als schon vorher alles zu wissen. Macht mehr gemeinsame Sache, als die Schüler alles alleine machen zu lassen. Bringt eure eigene Bewerbung (Stellungnahme, Gedichtanalyse…) mit, und lasst die „Jungen“ teilhaben an dem, was ihr schon beherrscht. Ich bin das Modell – ihr schaut zu und macht nach. Macht es nicht schwerer und komplizierter, als es sein muss. Die Schüler müssen nicht alles selbst erkennen und entdecken. Können Sie gar nicht. Woher sollen sie wissen, wie eine Gedichtanalyse geht, wenn sie noch nie eine gesehen haben? Ihr seid Verbündete im Prozess des Lernens, keine Gegner.

In Verbundenheit wachsen
Ich glaube: Erst, wenn wir uns als Lehrerinnen und Lehrer aus der einsamen „Richter“-Rolle herausbewegen und uns auf Augenhöhe mit unseren Schützlingen bewegen, um gemeinsam etwas zu tun, kann ein wichtiges Bedürfnis junger Menschen gestillt werden: „verbunden zu sein und in dieser Verbundenheit gleichzeitig zu wachsen.“ (4)
Und in einem zweiten Schritt folgt dann, wie von ganz allein, die Autonomie: „Frau G., ich probier’s alleine.“ „Alles klar, dann leg mal los.“


Quellen:
(1) „Jedes Kind ist hoch begabt. Die angeborenen Talente unser Kinder und was wir aus ihnen machen“, Gerald Hüther und Uli Hauser, München 2012, S.98
(2) ebenda, S.99
(3) ebenda, S. 102
(4) ebenda, S. 102-103

Bild: pixabay

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2 Kommentare

  1. Sehr inspirierend! Es wird ja auch häufig gesagt, dass man die Aufgaben als Lehrkraft selbst einmal lösen soll, um sich in die Schüler und Schülerinnen hineinversetzen zu können. Dies dann gemeinsam im Unterricht zu tun und den Kindern offen zu zeigen, was ich selbst für Schwierigkeiten habe (Ich merke selbst im Grundschulbereich, dass ich nicht alles so eindeutig lösen kann.) und dann nach Lösungen zu suchen (und dabei wiederum Vorbild für die Kinder zu sein), erscheint mir wunderbar authentisch und ehrlich. Und so, wie du es beschreibst, denke ich, dass mit so einer Einstellung vielen der Druck genommen werden kann, der durch Perfektionismus entsteht. Ich habe für mich selbst auch festgestellt, dass ich weniger alleine im Voraus den Unterricht planen und Materialien vorbereiten möchte, damit die Kinder zum einen selbst erfahren können, wie viel Zeit/Aufwand die jeweiligen Aufgaben beanspruchen (ich habe z.B. versucht, mit Erstklässlern einen Salzteig herzustellen statt ihn komplett alleine vorzubereiten). Zum anderen nehme ich mir vor, mehr MIT den Kindern zu arbeiten, da es für mich wenig Garantie dafür gibt, dass das, was ich (vermeintlich) FÜR die Kinder erarbeite, tatsächlich auch von ihnen so verstanden wird und ihnen hilft. So wurde ja auch herausgefunden, dass man am meisten lernt, wenn man etwas selbst tut.

    Also danke für diesen und alle weiteren inspirierenden Artikel von dir, die mich daran erinnern oder mir bewusst machen, wie ich mir mein Arbeiten in Zukunft als Lehrkraft vorstelle. Ich bin gespannt, inwiefern ich diesen Vorstellungen weiter folgen kann, sobald es ins Referendariat geht.

    • Liebe Lisa, danke dir sehr für deine Gedanken und dein Feedback! Ich hoffe, du nimmst deine Einstellung mit ins Referendariat und kannst dort weiterhin „du“ sein. 🙂 Linda

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