Strafen und Schule
Ich beobachte: In Diskussionen über Schulen geht es meistens nur darum, WELCHE Strafen Lehrer verhängen dürfen (z.B. hier) , aber wenig um die Frage, OB Strafen überhaupt sinnvoll sind oder WAS Strafen mit Menschen machen.

Strafen machen Angst und Strafen schrecken vielleicht den ein oder anderen ab [die Frage ist allerdings, wie man unter Angst etwas lernen soll]. Und ja, Strafen (wie das Wegschicken von jungen Menschen in einen extra „Time-Out“-Raum) mögen vielleicht Sicherheit für andere Schüler/innen gewährleisten.

Aber: Wenn es um die Entwicklung und die Würde desjenigen geht, der da weggeschickt wird, dann ziehen diejenigen, die bestraft werden, immer den Kürzeren.
Und auch wir, die wir Strafen verhängen. Denn es wäre genau in dem Moment, wenn so ein (in unseren Augen) „bestrafenswertes“ Verhalten auftritt, an der Zeit, nach den Ursachen zu forschen und ins Gespräch zu gehen.

Warum rennt ein Jens wutentbrannt aus dem Raum und knallt die Tür? Was hat dazu geführt, dass er so einen immensen Frust hat und diesem nur so Luft machen kann? Warum schwänzt Karla die Schule oder arbeitet im Unterricht nicht mit? Warum stört Anton immer wieder meinen Unterricht?

Die Zeit, diesen wichtigen Fragen auf den Grund zu gehen, ist häufig im Schulalltag nicht da. Klassen sind zu groß und der Stundenplan zu voll.
Und trotzdem appelliere ich an alle Kollegen und Kolleginnen: Lasst euch von diesen organisatorischen Vorgaben nicht abhalten.
Geht mit euren Schüler/innen ins Gespräch, und zwar so oft wie möglich. Hört auf, euch selbst mit euren eigenen Bedürfnissen (nach Ruhe, oder nach was auch immer) hinter Strafen zu verstecken. Seid echt, sagt, was ihr nicht okay findet, und vor allem, sagt, warum.
Macht euch dreidemsional und verzichtet auf eindimensionale „Weil du gegen die Regel verstoßen hast“-Phrasen. Seht eure Schüler/innen – mit all dem, was sie mitbringen, und was zu ihrem Verhalten geführt hat.
Sieh dich selbst mit all dem, was zu dir gehört, was du erlebt hast, und was zu deinem Verhalten geführt hat.
Lern dich selbst und deine Schüler/innen wirklich kennen – dann vergeht dir normalerweise ziemlich schnell die Lust, irgend jemanden bestrafen zu wollen.


In Teil II wird es darum gehen, warum Schüler/innen manchmal selber Strafen einfordern, warum Belohnungen genauso bescheuert sind wie Strafen, und warum Bestrafen immer einen Beziehungsabbruch bedeutet – wie harmlos die Strafe auch aussehen mag.

 

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2 Kommentare

  1. Die Betrachtungen von Linda zu lesen, ist für mich als 80-Jähriger immer wieder ein Zuckerl, obwohl ich mit Schule nichts am Hut habe. Vielleicht auch gerade deshalb, weil meine geistig innere Datenbank alle Berichte, die mich über das Phänomen Schule erreichen, nicht in die Rubrik Bildung ablegt, sondern der Sparte Kriegsberichterstattung zuordnet.
    Dort erscheint Schule als ein Schlachtfeld auf dem, wie auf Schlachtfeldern üblich, die Wahrheit als Erstes stirbt. Weil sich dort das seltene Bündnis zwischen Lehrern und den heiligen Seelen von Kindern, die aus Liebe die Welt betraten, um diese in die Kultur zu transformieren, gegen die Demagogie der institutionalisierten Arroganz der Bildungsaristokratie behaupten muß. Diese ist der wahre Aggressor auf dem Schlachtfeld, dessen Absicht es nach wie vor ist, die angeborene Sehnsucht nach Liebe und Verbundenheit, ihren uralten Machtatitüden zu unterwerfen. Dazu braucht der Aggressor Bestrafung, Diszipinierung, Erpressung und das ganze Lügengebäude seiner Rechfertigungs-Demagogie. Nicht der Schüler, der die Tür vor dem ideologischen Bombardement seiner Geiselhaft zuschlug, sollte sich zu bußfertiger Einsicht aufgerufen fühlen, sondern die Arroganz der Macht, die nicht in der Lage ist, Bildung von Psychoterror zu unterscheiden.

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